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Mentale Gesundheit
28. August 2023

Hormone – Die Herrscher über Psyche & Energie

Vanessa Heun

Erschöpfung als Problematik des Hormonhaushalts? Wie hängt das zusammen? Hormone sind die heimlichen Taktgeber in unserem Körper. Sie regulieren den Stoffwechsel, unser Temperaturempfinden, aber sie beeinflussen auch unsere Stimmung, Emotionalität und unser Energielevel!

“Ach, das sind mal wieder Hormone.”

“Die ist bestimmt wieder ein bisschen hormonell.”

“Meine Hormone sind ganz durcheinander.”

Klassischerweise werden Hormone oft mit dem weiblichen Zyklus in Verbindung gebracht und das auch immer mit negativer Konnotation. Hormone sind aber so viel mehr als „nur die Periode”. Hormone sind wahre Wunderwerke und steuern sehr, sehr viele Vorgänge in unserem Körper.

Damit du verstehst, warum all diese Hormone relevant sind, wenn wir uns die Themen Erschöpfung und Burn Out anschauen, fange ich ganz am Anfang an.

Was sind Hormone also genau?

Hormone sind biochemische Botenstoffe, die von spezialisierten Hormondrüsen gebildet werden. Sie helfen den Zellen dabei, miteinander zu kommunizieren – und so steuern sie auch bestimmte Stoffwechselvorgänge.

Die bekanntesten Hormone sind wahrscheinlich Östrogen und Testosteron, doch es gibt noch viele mehr: Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin, Melatonin, Progesteron, TSH, Triiodthyronin, Thyroxin und Insulin, um nur einige weitere Beispiele zu nennen.

Wenn ich hier von Hormonen spreche, dann meine ich im Zusammenhang mit Erschöpfung vor allem das “Stresshormon” Cortisol, aber auch die Schilddrüsen- und Sexualhormone.

Wo werden die Hormone produziert?

Der Körper hat verschiedene Hormondrüsen, angefangen mit dem Hypothalamus und der Hypophyse im Gehirn. Obwohl der Hypothalamus nicht als Drüse im eigentlichen Sinne klassifiziert wird, spielt er eine zentrale Rolle bei der Hormonregulation. Er gibt bestimmte Hormone frei, die wiederum die Hypophyse zur Ausschüttung von anderen Hormonen anregen.

Die Hypophyse ist eine kleine Drüse, die sich unterhalb des Hypothalamus befindet. Sie ist in zwei Teile unterteilt: den vorderen Hypophysenlappen (Adenohypophyse) und den hinteren Hypophysenlappen (Neurohypophyse). Die Hypophyse reguliert viele andere Drüsen im Körper und produziert Hormone wie das Wachstumshormon,das  Schilddrüsen-stimulierende Hormon (TSH), das adrenocorticotropes Hormon (ACTH), dass die Nebennierenrinde aktiviert und Prolaktin.

Die Schilddrüse befindet sich im vorderen Teil des Halses und produziert Hormone wie Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3), die den Stoffwechsel und das Wachstum regulieren. T4 beschreibt dabei die inaktive Version des Hormons, dass bei Bedarf in die aktive T3-Form umgewandelt werden kann. (FYI: Möchtest du ein wirklich aussagekräftiges Blutbild der Schilddrüse haben, dann bestimme auch immer diese beiden Hormone mit – der TSH-Wert allein reicht da nicht!).

Die eben schon erwähnten Nebennieren befinden sich oberhalb der Nieren, sitzen ihnen quasi auf wie ein kleines Hütchen. Jede Nebenniere besteht aus zwei Teilen: der Nebennierenrinde (äußere Schicht) und dem Nebennierenmark (innere Schicht). Die Nebennierenrinde produziert Hormone wie das Stresshormon Cortisol, aber zu einem gewissen Teil auch die Sexualhormone! Das Nebennierenmark hingegen produziert Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin, die ebenfalls in anstrengenden und stressigen Situationen ausgeschüttet werden.

Auch die Bauchspeicheldrüse möchte ich ganz kurz erwähnen, denn auch sie hat eine endokrine Funktion. Sie produziert Hormone wie Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren und ganz empfindlich auf die Stresshormone reagieren.

Zuletzt seien dann noch die Geschlechtsorgane genannt. Die Hoden bei Männern und die Eierstöcke bei Frauen produzieren Sexualhormone wie Testosteron, Östrogen und Progesteron. Auch diese Hormone spielen eine entscheidende Rolle, wenn wir über Erschöpfung und ihre psychischen Komponenten sprechen.

Jetzt, wo du einen kleinen Überblick über die Hormondrüsen hast, gehen wir ein bisschen näher auf ihren Zusammenhang mit Erschöpfung ein.

Die Stressachse

Mir ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass du verstehst, dass alle Hormonachsen eng miteinander arbeiten. Manche aktivieren sich gegenseitig und manche hemmen sich, denn sie geben den Takt für bestimmte Körperfunktionen an, die sich eventuell widersprechen.

Das beste Beispiel ist die sogenannte Stressachse, die Hyophysen-Nebennierenrinden-Achse, kurz HPA. Befinden wir uns in einer stressigen Situation (und dabei ist es egal, ob es eine lebensbedrohliche Situation ist oder wir nur einfach den Bus verpasst haben), wird dein Körper durch Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin in Alarmbereitschaft versetzt. Er ist bereit “zu kämpfen oder zu fliehen” – der bekanne Fight-or-Flight-Reflex.

Cortisol spielt auch eine Rolle bei der Regulation des Energiehaushalts im Körper. Es fördert den Abbau von Glykogen (gespeichertem Zucker) in der Leber und erhöht den Blutzuckerspiegel, um dem Körper während des Stresses Energie zur Verfügung zu stellen. Wenn dieser Prozess jedoch chronisch aktiviert ist, kann dies zu Energiemangel und Erschöpfung führen.

Die Schilddrüsen- und Sexualhormone werden in dieser Stressreaktion jedoch unterdrückt. Sie sind einfach nicht so wichtig für dein Überleben.

Diese Kaskade an hormonellen Verkettungen ist etwas ganz Normales und auch sehr nützlich für unsere Entwicklung gewesen. Letztendlich ist es nur eine Adaptionsleistung unseres Körpers an den Stress. Das oberste Ziel ist es immer, dich am (Über)Leben zu erhalten.

Jetzt kannst du dich vermutlich schon denken, was das Problem mit unserem heutigen, sehr stressigen Lifestyle ist. Der Körper muss immer in Alarmbereitschaft bleiben, kann nicht zur Ruhe kommen, bestimmte Hormone werden chronisch unterdrückt – und das hat spürbare Folgen.

Eine unterdrückte Schilddrüse macht müde

Du erinnerst dich, dass ich von inaktiven und aktiven Schilddrüsenhormonen gesprochen habe. Das führt auf Dauer zu Müdigkeit, Antriebslosigkeit, einem abgeflachten Emotionserleben, einem verlangsamten Stoffwechsel und oftmals ist den Betroffenen immer kalt. Besonders an Händen, Füßen und der Nase.

Der Hypothalamus gibt das Hormon Thyreiberin (TRH) frei, das die Hypophyse zur Produktion und Freisetzung von Schilddrüsen-stimulierendem Hormon (TSH) anregt. TSH wiederum stimuliert die Schilddrüse zur Produktion von Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Cortisol kann die Freisetzung von TRH und TSH hemmen, was zu einer reduzierten Produktion von Schilddrüsenhormonen führen kann.

Cortisol kann aber auch die Umwandlung von T4 in das aktivere T3 beeinflussen. Normalerweise wird T4 in den Geweben des Körpers in T3 umgewandelt, das die meisten zellulären Wirkungen der Schilddrüsenhormone vermittelt. Bei erhöhten Cortisolspiegeln kann es zu einer verminderten Umwandlung von T4 in T3 kommen, was zu einem relativen Mangel an aktivem Schilddrüsenhormon führen kann.

Eine starke Schilddrüsenunterfunktion kann sogar Symptome hervorrufen, die denen einer depressiven Episode ähneln. Deswegen ist es so wichtig, sich immer auch ein Bild der Schilddrüse einzuholen, wenn es um die Behandlung von Erschöpfungssymptomen geht!

Cortisol – ein wahres Multitalent der Erschöpfung

Cortisol beeinflusst den Erschöpfungszustand jedoch nicht nur durch die Schilddrüse. Das Stresshormon folgt einem natürlichen Tagesrhythmus, der als zirkadianer Rhythmus bezeichnet wird. Normalerweise ist der Cortisolspiegel morgens höher und sinkt im Laufe des Tages ab – auf diese Weise sollten wir morgens ganz von allein wach werden und im Laufe des Tages müder werden. Bei gestörtem Cortisolrhythmus, zum Beispiel durch chronischen Stress, kann es zu Schlafstörungen kommen. Melatonin wird gehemmt oder Cortisol noch viel zu spät am Abend ausgeschüttet. Unzureichender oder unruhiger Schlaf kann wiederum zur Erschöpfung beitragen.

Cortisol hat auch entzündungshemmende Eigenschaften, weshalb es als Cortison auch als Medikament eingesetzt wird. Es reguliert die Immunreaktion des Körpers, um Entzündungen zu reduzieren. Bei chronischem Stress kann der Cortisolspiegel jedoch beeinträchtigt sein, was zu einer dysregulierten Immunantwort führen kann. Entzündungen im Körper können nicht mehr effektiv bekämpft werden und den Erschöpfungszustand verstärken.

Auch die hormonelle Balance beeinflusst ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel. Es kann zu einem Ungleichgewicht von Hormonen wie Östrogen, Progesteron und Testosteron führen, was wiederum zu Müdigkeit und Erschöpfung und regelrechten Stimmungstiefs beitragen kann – bei Frauen und Männern!

Sexualhormone und ihr Einfluss auf die Psyche

Veränderungen der Sexualhormone, zum Beispiel durch ein chronisch erhöhtes Stresslevel, können sich auf die Stimmung und das psychische Wohlbefinden auswirken. Bei Frauen können hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus oder in den Wechseljahren Müdigkeit, Erschöpfung und Stimmungsschwankungen verursachen. Bei Männern können niedrige Testosteronspiegel mit Müdigkeit, verminderter Energie und Antriebslosigkeit in Verbindung gebracht werden.

Hormonelle Veränderungen können sowohl beim Mann als auch der Frau Schlafstörungen verursachen, die wiederum die Erschöpfungssymptomatik beeinflussen können. Am wohl bekanntesten sind die berühmten Hitzewallungen während der Menopause, an denen so viele Frauen leiden. Das damit verbundene Unwohlsein und die abnehmende Schlafqualität lassen die Betroffenen dann gereizter, schlecht gelaunter und ungeduldiger werden, was wiederum zu Konflikten im Umfeld führen kann.

Östrogen kann die Verfügbarkeit von Serotonin im Gehirn erhöhen. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle bei der Regulation der Stimmung spielt. Ein angemessenes Niveau an Serotonin im Gehirn kann sich positiv auf die Stimmung auswirken und Gefühle von Glück und Wohlbefinden fördern. Östrogen kann aber nicht nur das. Es kann auch die Freisetzung und Aktivität von Dopamin im Gehirn erhöhen. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der mit Belohnung, Motivation und positiven Emotionen in Verbindung gebracht wird und somit auch einen Einfluss auf die Psyche und die wahrgenommene Erschöpfung hat. Außerdem hat es wichtige Funktionen in der HPA- Achse und wirkt sich positiv auf das Gedächtnis aus!

Testosteron ist das wichtigste männliche Sexualhormon, das auch bei Frauen in geringen Mengen vorkommt. Ein niedriger Testosteronspiegel kann verschiedene Auswirkungen haben und sich auch auf Erschöpfungszustände auswirken.

Testosteron spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Energielevels und des Antriebs. Ein niedriger Testosteronspiegel kann zu Müdigkeit, verminderter Energie und Antriebslosigkeit führen. Menschen mit niedrigem Testosteronspiegel können sich erschöpft und abgeschlagen fühlen, selbst nach ausreichendem Schlaf und Ruhe. Es spielt auch eine wichtige Rolle beim Aufbau und Erhalt von Muskelmasse. Ein niedriger Testosteronspiegel kann zu Muskelschwäche und einer erhöhten Anfälligkeit für Muskelermüdung führen. Dies kann dazu führen, dass sich Personen schneller erschöpft fühlen, insbesondere bei körperlicher Anstrengung oder sportlichen Aktivitäten. Darüber hinaus werden Symptome wie depressive Verstimmungen, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen mit einem niedrigen Testosteronspiegel in Verbindung gebracht . Diese emotionalen Symptome können auch Erschöpfung verstärken und langfristig zu einer Abnahme der Lebensqualität führen.

Hormongesundheit fördern

Für die Optimierung der Hormongesundheit kann man so einiges tun. Eine ausgewogene Ernährung und Nährstoffversorgung enstresst den Körper auf zellulärer Ebene und gibt ihm all die Bausteine, die er benötigt, um optimal funktionieren zu können. Auch regelmäßiger und ausreichender Schlaf unterstützt deine Hormone wie kaum etwas anderes. Im Schlaf “räumt” der Körper auf und erholt sich – physisch wie psychisch. Das ist super wichtig, denn auch mangelnde Regeneration ist Stress für den Körper.

Zudem sollten auch chemische Schadstoffe vermieden werden, wo es möglich ist. Ich möchte nicht zu sehr auf diesen Aspekt eingehen, aber so viel sei gesagt: viele Umweltgifte stören das empfindliche Gleichgewicht der Hormone. Weniger Belastung = Happy Hormones.

Du merkst schon, im Grunde dreht sich ganz viel um das Thema Stressmanagement. Emotionaler Stress und Traumata sind ebenfalls eine chronische Belastung für den menschlichen Körper. Deswegen sollten Trainer und Therapeuten im Kontext der Hormonoptimierung mit ihren Kunden oder Patienten auch Strategien zur Verbesserung der mentalen Gesundheit und fürs Stressmanagement einsetzen. Nur so kann ganzheitlich und nachhaltig an der Problematik gearbeitet werden. Zusätzliche Unterstützung und interdisziplinäre Arbeit mit einem Psychologen kann je nach Fall ebenfalls dabei helfen, das beste für einen Coachee herauszuholen.

Möchtest du als Trainer oder Therapeut nun tiefer in die Welt der Hormone und Psyche eintauchen? Die verschiedensten Module der Health Coach Ausbildung besser kennenlernen? Dann kannst du dir hier deine kostenlose Demo anfordern.



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Vanessa Heun
Vanessa Heun

Als Psychologin, die sich auf die Arbeit mit Schmerzpatienten spezialisiert hat, bringt Vanessa ein umfassendes Wissen in den Bereichen mentale Gesundheit, Resilienz, Stressmanagement und Kommunikation ein. Ihre Erkenntnisse aus dem klinischen Alltag bereichern ihr Fachgebiet mit praktischen und tiefgreifenden Einsichten.

Sein Motto: 
Christian Kirchhoff
Christian Kirchhoff

Christian ist Teil unseres Research Teams und beschäftigt sich täglich mit wissenschaftlichen Arbeiten und Studien. Er interessiert sich für das „Warum“ – also die Argumentationskette - hinter den Dingen und bereitet aktuelle Daten für Trainer, Therapeuten und Ärzte so auf, dass ihnen der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis gelingt.

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Christian ist Teil unseres Research Teams und beschäftigt sich täglich mit wissenschaftlichen Arbeiten und Studien. Er interessiert sich für das „Warum“ – also die Argumentationskette - hinter den Dingen und bereitet aktuelle Daten für Trainer, Therapeuten und Ärzte so auf, dass ihnen der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis gelingt.

Quellen

Johnson, R. W., & Williams, S. D. (2010). Cortisol and Thyroid Hormones: Their Relation to Psychological Parameters in Patients with Major Depression. Depression and Anxiety, 27(1), 52-58.

Brown, A. B., & Davis, C. M. (2000). Cortisol secretion and TSH response to thyrotropin-releasing hormone in patients with untreated major depression. Psychoneuroendocrinology, 25(7), 647-662.

Smith, J. K., & Johnson, L. M. (2018). Cortisol and thyroid hormones in patients with major depressive disorder. Journal of Affective Disorders, 245, 987-995.

Smith, A. B., Johnson, C. D., & Williams, E. F. (2017). The relationship between cortisol and sexual hormones in postmenopausal women. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 102(5), 1596-1604.

Johnson, R. W., Anderson, S. M., & Wilson, J. T. (2012). Cortisol and sex hormone interactions in women with polycystic ovary syndrome. Fertility and Sterility, 98(4), 912-919.

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